Ein Platz an der Sonne

© Matthias Meyer | Die auflaufenden Ackerwildkräuter auf den Huderstreifen bieten dem Niederwild reichlich frische Äsung.

Die Jungtiere der Niederwildarten sind auf geschützte, trockene und sonnenbeschienene Plätze angewiesen, um sich gesund zu entwickeln. Das trifft nicht nur für Kitz und Junghase zu, sondern insbesondere für die kleinen Küken der Feldhühner. Neben der Gefahr durch Nässe zu unterkühlen, droht ihnen der Hungertod, wenn sie nicht ausreichend Insekten finden. Denn die sind ebenfalls nur auf trockenen und warmen Böden rege.

Der Einfluss von Regen, Kälte und mangelnder Trockenheit auf das Überleben von Jungtieren

Im ersten Licht der aufgehenden Sonne „dampft“ der vom nächtlichen Regen triefnasse Boden. Nebelschwaden wabern langsam über die unterschiedlich hochstehenden Pflanzen des vorjährigen Wildackers. Von meinem Sitz aus lassen sich drei Huderstreifen gleichzeitig einsehen, die ich bereits im zeitigen April mit dem Schlepper und einer Ackerfräse in den neu austreibenden Bewuchs des mehrjährigen Wildackers gelegt habe. Obwohl ich bei der Anlage von Wildäckern für die Niederwildarten bewusst die Saatgutstärke weit reduziere, um neben kräftigen Stauden genug Möglichkeiten fürs Wild einplane, sich trocken, geschützt und flink unter dem Blätterdach bewegen zu können, kann sich das Jungwild nach einem Regen oft nicht ungefährdet trockenlaufen oder sonnenbaden. Dabei ist es gerade in dieser Entwicklungsstufe von Haar- und Federwild überlebenswichtig, schnell wieder trocken zu werden und nicht zu unterkühlen. An länger anhaltenden nassen und zugleich kalten Wetterphasen haben Küken, Junghasen und selbst Rehkitze unter hohen Verlusten zu leiden. Hasen und Kitze werden von den Elterntieren nicht gewärmt. Ihre kleinen Körper müssen Kreislauf und Temperatur selbst regeln. Weder ein dichter wasserfester Pelz noch eine dicke Fettschicht helfen regulierend. Wenn sonnige Wetterabschnitte nicht immer wieder rechtzeitig kommen, die Tiere trocknen und erwärmen, verklammen sie und verenden an Unterkühlung oder Lungenentzündung. In manchen Jahren können die Verluste durch ungünstige Witterung, diejenigen durch Fressfeinde weit übersteigen.


© Matthias Meyer | Auf eigenen Blühflächen oder Wildäckern können die Huderstreifen ganz im Sinne des Wildes angelegt werden.

Warum moderne Agrarlandschaften den Lebensraum und die Entwicklungsmöglichkeiten des Niederwilds beschränken

In landwirtschaftlich intensiv bewirtschafteten Feldrevieren wird meist jeder Quadratmeter als Anbaufläche genutzt. Finden sich im April und Mai noch gelegentlich Freiflächen, wo die Rüben oder der Mais gerade erst auflaufen, bleiben dem Niederwild später eigentlich nur Feldwege und Straßen, um Sonnenenergie zu tanken. Allzu oft sieht man früh morgens, wie sich Hasen und Hühner auf den asphaltierten Wirtschaftswegen trockenlaufen. Vor dem nahenden Fahrzeug laufen sie lange dahin und scheuen den Absprung ins nasse Gras oder die wie eine Wand wirkende Front von Getreidehalmen. Verfügt der Autofahrer nicht über den entsprechenden Überblick, kommt es gerade auf den von Berufspendlern genutzten Abkürzungen quer durch die Feldmark zu unnützen Wildunfällen.

Aber auch für die beiden Feldhühner, Rebhuhn und Fasan, engt der Intensivanbau die Requisiten, um sich entsprechend entwickeln zu können, enorm ein. Durch eine vorherrschende Monokultur fehlt nicht nur die benötigte Artenvielfalt an Insekten, die für ein gesundes Wachstum der Küken lebensnotwendig sind, sondern sie schränkt auch das Nahrungsangebot an Blattspitzen, Blüten- und Fruchtstände von Ackerunkräutern für die Altvögel stark ein, denn das schmale Zeitfenster, wenn reife Getreidekörner als Äsung nutzbar sind, reicht bei weitem nicht. Der dichte Anbau von Kulturpflanzen dient nicht nur der Ausnutzung der oberen Kapazitätsgrenze, sondern dunkelt gewollt auch ohne Chemie viele zweikeimblättrige Wildkräuter schlichtweg aus. Gibt es keine Fehlstellen, gelangt keine Sonne an den Boden. Hühnervögel sind aber zur Gefiederpflege auf sandige, trockene und sonnenbeschienene Stellen angewiesen, wo sie beispielsweise Huderstellen anlegen können.


© Matthias Meyer | Im trockenen sandigen Boden legen die Hühnervögel gerne Huderpfannen an und nehmen dort regelmäßig ein Sandbad zur Gefiederpflege.

Zweck, Anlage und strategischer Nutzen von Huderstreifen zur Förderung des Niederwilds

Eine bewährte Hegemaßnahme im Niederwildrevier stellt aus diesem Grund die gezielte Anlage von Huderstreifen dar. Sie lassen sich ohne großen Aufwand, dafür aber strategisch wertvoll und gleich mit mehreren Vorteilen für die Niederwildhege gewinnbringend einsetzen. Mit einer Breite von zwei, maximal zweieinhalb Metern sind sie schmal und beeinflussen den Ertrag auf der restlichen Anbaufläche nicht wesentlich. Mit schmalem Anbaugerät kann sogar ohne großen Verlust die zur Feldbearbeitung angelegte Fahrgasse für die Anlage des Huderstreifens genutzt werden, was den wirtschaftlichen Ausfall somit nur auf den Innenbereich der Fahrgasse begrenzen würde. Bei beginnender Vegetation im Frühjahr bis in den Frühsommer hinein legen wir die Streifen mit einem Grubber oder einer Ackerfräse vornehmlich in Wildäckern, aber auch in landwirtschaftlichen Anbauflächen (natürlich mit Rücksprache und ausdrücklicher Genehmigung des Landwirts) an. Der zu diesem Zeitpunkt noch sehr niedere Bewuchs wird hierbei mechanisch zerstört, ein Schwarzbrachestreifen bleibt übrig. Bewährt hat sich dabei, ein Anbaugerät zu verwenden, was maximal so breit ist, wie der Traktor im Außenmaß seiner hinteren Bereifung. So lockern wir gleich die festgefahrene Fahrspur und fransen dabei nicht noch die beidseitig wachsende Kultur aus. Zudem lassen sich die Huderstreifen sogar diagonal oder quer zur Saatrichtung anlegen. Sinnvoll ist es, die Huderstreifen erst im Acker, mit ein paar Metern Abstand zum Ackerrand, also zu Wegen oder Uferrändern von Gewässern beginnen zu lassen, um dem Raubwild, das gerne trockenen Fußes dort entlang sein Revier abläuft, die flächige Kontrolle der Niederwildeinstände von vornherein zu erschweren und nicht noch das Vordringen in die sensiblen Bereiche womöglich zu erleichtern.


© Matthias Meyer | Das Raubwild lernt schnell, dass sich das Niederwild entlang der Grenzlinien aufhält. Hier konzentriert es seine Beutezüge.

Wie trockene Bodenstellen entscheidend zur Nahrungsaufnahme und zum Überleben von Küken beitragen

Die so angelegten Huderstreifen sollen im Sommer in den einheitlich hohen Getreide- oder sonstigen Beständen die direkte Sonneneinstrahlung auf den schwarzen Ackerboden ermöglichen. Nur so ist es möglich, dass er sich als erstes nach einem starken Regenschauer gleich wieder erwärmt und zügig abtrocknen kann, während die angrenzende Kultur noch lange, manchmal über Tage nass, kühl und dunkel bleibt. Liegen die Tageshöchsttemperaturen in der Aufzuchtphase des Jungwildes über einen längeren Zeitraum unter 20°C, endet das für so manchen Junghasen und insbesondere Rebhuhn- und Fasanenküken tödlich. Letztere sind in den ersten Lebenswochen auf pure Insektennahrung angewiesen. Sie folgen dabei ihrem angeborenen Pick- Reflex, um die sich bewegenden Insekten zu erbeuten. Doch Bewegung kommt erst ins Spiel, wenn Sonne und Wärme die Insekten dazu veranlassen. In nassen und beschatteten Kulturen ist das aber erst sehr viel später der Fall als auf offenen Böden wie dem Huderstreifen. Fehlende, da unbewegliche Insekten bedeuten fehlende Energie. Dazu ein kaltes und ständig nasses Daunenkleid bei der Nahrungssuche im dichten nassen Bewuchs verhindern, dass die Küken der Henne folgen können. Sie unterkühlen, sind nicht mehr in der Lage, Nahrung zu finden und verenden. Beides verhindert die Anlage des Huderstreifens.


© Matthias Meyer | Ideal für die Feldhühner sind mehrjährige Wildäcker. Erst wenn der Maschineneinsatz längere Zeit auf der Fläche ausbleibt, legt die schwarze Wiesenameise ihre Nester oberirdisch an.


© Matthias Meyer |  Selbst an Regentagen kommen die kleinen Federwildküken an die proteinhaltige Insektennahrung, wenn die Henne die Brutkammern der Ameisen freilegt, die nur wenige Zentimeter unter Erdabdeckung liegen.

Mehr Lebensraum durch Grenzlinieneffekt und Erschwernis für Raubwild

Ein weiterer wichtiger Nebeneffekt des Huderstreifens ist die Unterteilung großer Äcker. Wer im Rahmen der Jungwildrettung mit Jagdhund oder neuerdings Drohne Wiesenflächen vor der Mahd absucht, dem wird bald auffallen, dass die Gelege von Rebhuhn und Fasan fast immer in einem etwa zwanzig Meter breiten Grenzbereich zum Feldrand liegen, selten inmitten der Schläge. Ähnlich verhält es sich beim Feldhasen. Auch die Häsin legt ihre Junghasen in Feldrandnähe ab. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis kann sich jeder Jäger ausrechnen, wie viel der vorhandenen Feldfläche also wirklich als Lebensraum für das Niederwild nutzbar ist. Je größer dann also die einzelnen Feldeinheiten sind, desto weniger bleibt als effektiver Lebensraum übrig. Eine geografische Unterteilung der großen Feldeinheiten mit Huderstreifen erhöht folglich diesen Grenzlinieneffekt und lässt zumindest aus Sicht der Biotopkapazität mehr Niederwild auf gleicher Revierfläche zu.

Erfolgreiches Beutemachen im Bereich der Grenzlinien verleitet das Raubwild, vor allem das Haarraubwild dazu, insbesondere diese Bereiche häufiger abzusuchen. Große Feldflächen mit wenigen Grenzlinien, wo sich potenzielle Beutetiere aufhalten, sind folglich auch von wenig im Revier vorkommendem Raubwild schnell und gründlich abgesucht. Sein Einfluss ist deshalb trotz absolut vorhandener Dichte entsprechend hoch. Die Anlage von Huderstreifen, die erst im Feld beginnen und keinen direkten Anschluss zu benutzten Raubwildpässen wie Wegen oder trockenen Gräben haben, unterbinden zwar eine Zeit lang, dass Raubwild auch diese für seine Reviergänge nutzt, ermöglicht aber dem Jäger in diesem Fall auch die gezielte Jagd auf die Räuber.


© Matthias Meyer | Wo der Uhu vorkommt, jagt auch er gerne entlang von Wegen und Freiflächen.

Spürbahnen, Sichtachsen und gezielte Bejagung durch bewusst gestaltete Streifen

Wegen einer lautlosen, schnellen Jagd trockenen Fußes nehmen Fuchs, Katze und Marder bevorzugt die Huderstreifen durch nasse hohe Feldfrucht an. Sie lassen sich, losen Sandboden vorausgesetzt, herrlich als Spürbahnen nutzen und geben Information über die Benutzer. Wer Huderstreifen nicht nur als eine Linie im Feldfruchtbestand anlegt, sondern große Blüh- oder Wildäcker für Niederwild in der Form eines Krähenfußes erschließt, bekommt gleich mehrere Möglichkeiten, die hohe Einstandsfläche von einem Sitz aus auf Raubwild kontrollieren zu können. Theoretisch bestünde sogar die Möglichkeit, die schmalen Huderstreifen mit Kastenfallen für den Durchlauf auf dem Zwangswechsel absichern zu können. Allerdings werden die Fallen bei einem etwas besseren Niederwildbesatz ständig mit fehlgefangenem Niederwild blockiert sein und den angestrebten Erfolg zunichtemachen. Soll mit der Anlage von Huderstreifen auch gezielt Raubwild erlegt werden, müssen die Streifen geradlinig angelegt werden, so dass sie weit einsehbar und zu beschießen sind. Eine mäandrierende Trassenführung könnte zwar den Grenzlinieneffekt verstärken, doch steht der Vorteil eindeutig hinter dem Effekt der Raubwildbejagung und auch der rechtzeitigen Feinderkennung durch das Niederwild. Nur zu leicht wäre für Fuchs und Co. der Überraschungsangriff aus dem Sichtschutz einer Kurve heraus. Zudem ist die Anlage, der Flächenverlust und die Flächenberechnung (für Ersatz oder Anrechenbarkeit auf landwirtschaftliche Programme) deutlich komplizierter.


© Matthias Meyer | Der Fasan ist wie alle Hühnervögel auf Magensteine angewiesen. Die findet er in der richtigen Größe vor allem an Wegen, aber auch an den Huderstreifen.

Warum der offene Boden im Sommer entscheidend ist – und wie man den Huderstreifen richtig instand hält

Natürlich muss der Huderstreifen im Sommerhalbjahr auch gepflegt werden, soll er seinen Nutzen nicht verlieren. Ein verzögertes Auflaufen einjähriger Ackerwildkräuter wird nicht unterbleiben und ist auch gewollt. Sie geben in der Mehrzahl eine willkommene Äsung für unser Niederwild ab. Sollte sich der Streifen allerdings mit Vegetation zu schließen beginnen, müssen wir ab einer Pflanzenhöhe von etwa zwanzig Zentimetern erneut eine mechanische Bodenbearbeitung vornehmen, um den Vorzug der Schwarzbrache in allen Bereichen aufrecht zu erhalten. Das Einsäen von Mischungen oder das Kürzen des natürlichen Aufwuchses durch Mulchen widerspricht der Idee des Huderstreifens und sollte unterbleiben. Zu schnell schließt sich die Pflanzendecke, offener Boden zum Anlegen von Huderpfannen geht verloren. In der Folge trocknen die Streifen wieder langsamer ab und erwärmen sich deutlich langsamer als der schwarze Boden. Der Sandstreifen ist für alles Wild deutlich anziehender als ein gekürzter dichter Pflanzenteppich und sollte deshalb immer angestrebt werden. Sollte die Idee, einen Huderstreifen anlegen zu wollen, erst später reifen und der Bewuchs wäre für die Fräse bereits zu hoch, kann der Aufwuchs erst gemulcht und dann nach ein paar Tagen, wenn er angetrocknet ist, mit Fräse oder Grubber eingearbeitet werden. Bei schweren Böden kann derselbe Streifen auch gern zweimal bearbeitet werden.


© Matthias Meyer | Selbst das Rehwild zieht es vor, auf den Huderstreifen durch den Wildacker zu wechseln. Wo wir einen feinen Sandboden haben, eignen sich die Huderstreifen auch als Spürbahnen hervorragend.

Ein Niederwildbesatz wird im Wesentlichen von drei Faktoren beeinflusst, der Güte des Lebensraumes, dem Druck durch Prädatoren und durch die Witterungsverhältnisse maßgeblich zur Hauptreproduktionszeit in den Monaten Mai und Juni. Das Wetter kann der Jäger nicht beeinflussen. Vielfältigen und richtungsweisenden Einfluss kann er aber mit Hilfe der Landwirtschaft für eine wirtschaftlich noch tolerierbare Aufwertung des Lebensraumes und eine angepasste, intensive Raubwildjagd nehmen, um die Niederwilddichte und mit ihr die gesamte Artenvielfalt in der Kulturlandschaft positiv zu beeinflussen. Die Kenntnisse dafür sind vorhanden – der Weg dorthin steinig.

 

Autor und Fotograf: Wildmeister Matthias Meyer

 

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