Schildbürgerstreich: Saarländische Gemeinde plant, etliche Millionen Euro Steuergeld zu entwerten

Die Autobahn A8 verläuft in der Mettlacher Gemarkung durch den Tunnel „am Pellinger Berg“. Beim
Bau des Autobahnabschnittes entschied man sich in den 90er Jahren gegen einen Einschnitt in die
Landschaft und für die deutlich teurere Tunnellösung. Ziel war unter anderem, die Querung der
Autobahn durch Wildtiere weiterhin zu ermöglichen. Jetzt plant die Gemeinde Mettlach auf der
Tunneldecke die Errichtung einer Freiflächenphotovoltaikanlage und zäunt die Wildquerung damit
weitgehend ein. Damit verliert diese ihre herausragende Bedeutung, zeigt ein aktuelles
wildökologisches Gutachten des Instituts für Tierökologie und Naturbildung. Der Pellinger Tunnel ist
derzeit die einzige nennenswerte Verbundachse für Großsäuger, um aus dem Saarland in Richtung
Frankreich wandern zu können. Sinnvolle Maßnahmen, finanziert durch Steuergelder, drohen jetzt
entwertet zu werden. Die Rotwildhegegemeinschaft saarländischer Hochwald protestiert gegen das
Vorhaben und wird dabei von nationalen und internationalen Verbänden unterstützt.

Laut Aussage des Mettlacher Bürgermeisters, Daniel Kiefer (SPD), könnte die Anlage Einnahmen in
die Gemeindekasse in Höhe von rund 35.000 Euro generieren. Angesichts der Baukosten des Tunnels
ein Kleckerbetrag. Profitieren werden davon neben der Gemeinde wenige Flächeneigentümer und
Investoren. Unter der Anlage leiden wird neben den Steuerzahlern die Biodiversität im gesamten
Saarland.

Die Europäische Union verfolgt das Ziel, einen weiteren Verlust der Biodiversität zu stoppen. Das
Bundesamt für Naturschutz hat dem folgend bereits 2011 eine Studie in Auftrag gegeben, die
darstellt, welche Wanderkorridore für Wildtiere bestehen und wie wichtig deren Erhalt für den
Arterhalt wandernder Tiere in Deutschland ist. Diese Studie bezeichnet die Wildtierquerung am
Pellinger Berg als eine Verbundachse von nationaler Bedeutung – das höchste Prädikat, das diese
Studie benennt.

Der Verlust von Verbindungskorridoren zwischen Säugetierpopulationen ist ein wesentliches
Problem des Artenschutzes. Isolierte Populationen leiden an Inzuchtdepressionen und sterben im
schlimmsten Fall aus. Um dem entgegenzuwirken ist die Wiedervernetzung von Populationen
unumgänglich. Zum Ausgleichen des geplanten Eingriffes am Pellinger Tunnel wäre somit der
Neubau einer Wildbrücke notwendig. Es entstünden weitere Kosten in Höhe von rund
18 Millionen Euro – die natürlich der Steuerzahler und nicht die Profiteure zu tragen hätten.

Der geplante Schildbürgerstreich in Mettlach ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Zum
Profit einzelner verkennt ein Bürgermeister die landesweite Bedeutung des Pellinger Tunnels für
wandernde Säugetiere und führt die damals im Sinne des Artenschutzes und der Biodiversität
investierten öffentlichen hohen Geldsummen ad absurdum.

Hintergründe

Die Rotwildhegegemeinschaft (RHG) saarländischer Hochwald bewirtschaftet das Rothirsch-
vorkommen im saarländischen Teil des Westhunsrück, westlich der A1. Der Rothirsch ist

das größte Landsäugetier Mitteleuropas. Die RHG sieht ihre gemeinsame Rothirschpopulation mit
den im Rheinland-Pfälzischen Hochwald vorkommenden Hirschen einer Verinselung
entgegenlaufend. Die Tiere können nach Norden aufgrund der Bebauungen um Trier nicht wandern,
nach Osten schneidet die A1 die Korridore ab, nach Süden tut das die Siedlungsverdichtung im
mittleren Saarland und im Westen die Autobahn A8, bisher noch durch den Wildtierkorridor
„Pellinger Berg“ durchlässig. Der Erhalt der letzten Verbindungsachsen in Richtung Cannertal (Dept.
Moselle) und Pfälzerwald ist für die RHG somit ein zentrales Thema, um den Rothirsch im westlichen
Hunsrück für künftige Generationen erhalten zu können.

Zunehmende genetische Verarmung bei Rothirschen

Aufwändige Untersuchungen im gesamten Bundesgebiet belegen erste und teilweise dramatische
Isolationsprozesse in den Rotwildlebensräumen. Erschreckende Deformationen durch angeborene
Blindheit, Unterkieferverkürzungen und fehlende Schalen (so nennt man die Hufe der Wildtiere)
zeigen sich mittlerweile bei einigen isolierten Rothirschpopulationen in Deutschland.

Foto: Forstdirektor a.D. H.-A. Hewicker

So stellt der Leiter der RHG Saarländischer Hochwald, Jörg Lohrig, klar:
„Es ist die dringlichste Aufgabe der Verantwortlichen und unverzichtbar, zur Überlebensfähigkeit der
Rothirschpopulation die genetische Vielfalt innerhalb und den genetischen Austausch zwischen
Rothirschgebieten sicherzustellen. Grundsätzlich leiden alle Wildtierpopulationen unter der
Zerschneidung von Lebensräumen durch menschliche Infrastruktur. Wandernde Individuen stoßen
an Schienen, Straßen und Bebauungen viel zu oft an künstliche Barrieren und können dann ihre Gene
eben nicht ins Nachbarvorkommen einbringen. Ihre Wanderung endet oft mit dem Tod im
Straßenverkehr. Die daraus folgende genetische Verarmung kann über Fitnessverlust zum
Aussterben der Art führen.“

Wildökologische Betrachtung des Pellinger Berges

Vor diesem Hintergrund haben die RHG und die Vereinigung der Jäger des Saarlandes ein Gutachten
bei dem renommierten Wildbiologen Olaf Simon vom Institut für Tierökologie anfertigen lassen, der
zu folgendem Schluss kommt:

„Aufgrund nicht vorhandener nennenswerter Wildtierquerungsmöglichkeiten entlang der BAB A8
im Saarland erscheint die Wildbrücke „Pellinger Berg“ für die Verbindung von herausragender
Bedeutung. Selbst randliche Bebauungen und Einzäunungen schränken die Funktionalität ein.
Aufgrund der Einzigartigkeit dieser Wildtierquerung ist daher jegliche Bebauung abzulehnen.

Eine Einschränkung des Korridors durch Bebauung würde planungsrechtlich eine kostenaufwändige
Kompensation durch einen Wildbrückenneubau an anderer, ebenso geeigneter Stelle bedeuten.“

Zusammenfassung

Der Schutz der Umwelt durch regenerative Energien wird an dieser sensiblen Stelle in mehr als
törichter Weise verfehlt. Der Korridor über den Pellinger Berg ist der wohl neuralgischste Punkt für
Wanderungen von Rothirsch, Wolf, Luchs und Wildkatze im Saarland. Die bedenklichen
Konsequenzen einer Bebauung des Tunnels, die daraus resultierende Barriere und die zunehmende
Gefahr von Wildquerungen über die Autobahn an anderer Stelle bleiben seitens der verantwortlichen

Behörden ohne Reaktion. Die Situation wird ausgesessen, nach alternativen Standorten für PV-
Anlagen sucht niemand, das Umweltministerium in Saarbrücken bleibt untätig und verweist auf die

alleinige Zuständigkeit des Gemeinderates in Mettlach. Gleichzeitig hat es das Ministerium trotz
Vorarbeit des Bundes bis heute nicht geschafft, die Bedürfnisse wandernder Arten in seiner
Landesentwicklungsplanung zu berücksichtigen und zu schützen. Die naturschutzfachlichen
Unterlagen des Planfeststellungsbescheides zum Pellinger Tunnel, die die damalige
naturschutzfachliche Zielsetzung klar benennen und dem Artenschutz an dieser Stelle den Vorrang
geben könnten, findet im Ministerium schlichtweg keiner.

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