Die herbstliche Erntezeit hat im Niederwildrevier begonnen. Hase, Kanin, Rebhuhn, Fasan, Taube und Ente sind in den kommenden Wochen Ziel des passionierten Niederwildjägers. Nicht nur beim Schalenwild, sondern auch bei diesen Wildarten muss der Jäger beim Versorgen die Vorschriften der Wildbrethygiene im Auge behalten, um delikates Lebensmittel auf den Tisch zu bringen.
Für die Gewinnung von gesundem und hygienisch einwandfreiem Wildbret der Niederwildarten gelten zunächst grundsätzlich natürlich auch die allgemeinen Vorschriften, die beim Schalenwild Anwendung finden. Neben dem Ansprechen auf Verhaltensauffälligkeiten vor dem Schuss sind dies ein rasches Aufbrechen und die Untersuchung auf bedenkliche Merkmale. Sind diese Punkte zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt, wird das Stück Wild entsprechend herunter gekühlt. Jedoch sind beim Niederwild auch einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die wir so von der Versorgung des Schalenwildes her nicht kennen.
Im Regelfall erlegt der Jäger die Niederwildarten nämlich mit einem Schrotschuss. Im Hinblick auf die Wildbrethygiene ist allerdings der raue Schuss wesentlich kritischer zu beurteilen als eine Verletzung mit einem Büchsengeschoss. Zum einen kann der Jäger aufgrund der Streuung der Schrotgarbe zumindest auf größere Entfernung die Verletzung bestimmter Organe oder Körperteile nicht ausschließen oder beeinflussen, da die Kügelchen den Wildkörper beliebig treffen. Darüber hinaus sorgen sie für viele kleine Verletzungen, durch die Haare, Federn und Schmutz weit in die Muskulatur hineingetragen werden. Ebenso öffnen sie im Verdauungstrakt Magen, Därme usw. und verschmutzen nicht nur die Bauchhöhle, sondern auch die betroffenen Wildbretteile. Je nach Sitz der Schrote ist folglich die Muskulatur stark verunreinigt und mit Bakterien belastet.
Traditionell drücken Jäger oder Treiber sofort nach dem Aufnehmen des rollierten Hasen oder Kaninchen die Harnblase aus ohne sich allerdings zu fragen, ob die Blase trotz Schrotschuss auch intakt geblieben ist. Hat die Blasenwand jedoch Löcher, wird durch das gut gemeinte Ausdrücken ein beachtlicher Teil Harnflüssigkeit in die Körperhöhle gedrückt! Ebenso kritisch sollte das Wild, was der Vorstehhund bringt angeschaut werden, ob es ggf. geknautscht, angerissen oder angeschnitten ist. Denn hat der Jagdkamerad beim Apport entsprechend unsauber gearbeitet, kann das Stück schnell für den menschlichen Verzehr ausscheiden.
© Matthias Meyer | Einmal mehr ist die saubere Ausbildung des Jagdhundes nicht Selbstzweck oder Prüfungsdressur, sondern trägt wesentlich zur handwerklich sauberen Jagd und Lebensmittelgewinnung bei.
Je nach Temperatur, Wetter und Jagdart wird das erlegte Wild am Hühnergalgen, in der Hasentasche, Rucksack oder in der Hand zum Wildwagen getragen. Bei den frühen herbstlichen Jagden können recht oft noch sommerliche Temperaturen herrschen. Wird das geschossene Stück oder sogar mehrere in der Hasentasche oder im Rucksack verstaut und erst einmal weitergejagt, wird es sehr schnell verhitzen und unbrauchbar sein. Deutlich sinnvoller ist es, das Wild einem Treiber zu übergeben. Am Hasenwagen abgeliefert, macht sich der versierte Hasenwagenfahrer alsbald an das saubere Aufbrechen von Haar- und Federwild. Das frühere Auswerfen, Ausschleudern bei Hase und Kanin sowie das Aushakeln beim Federwild sind nach der Wildbrethygienevorschrift längst antiquierte Verfahren und aufgrund der akuten Verschmutzung der Bauchhöhle mit Gescheideinhalt strikt abzulehnen.
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© Matthias Meyer | Am Wildwagen.
Obwohl der Gesetzgeber es beim Niederwild zulässt, dass es spätestens bei der Abgabe an den Endverbraucher oder Wildverarbeitungsbetrieb aufzubrechen und auszuweiden ist, ist der Jäger gut beraten, dies wie beim Schalenwild gleich nach der Erlegung zu tun. Gerade bei nicht aufgebrochenen Hasen und Kaninchen kann es je nach Außentemperatur nämlich schnell dazu kommen, dass die Bauchdecke grün wird und besonders im Filetbereich deutliche Geruchs- und Geschmacksabweichungen auftreten. Die Verwertung als Lebensmittel ist damit nicht mehr gegeben.
Sicherlich sollte das Versorgen des Niederwildes idealerweise in der Wildkammer erfolgen. Doch das ist bei Gesellschaftsjagden nicht immer möglich. Wir können auch ersatzweise die Versorgung am Hasenwagen vornehmen, vorausgesetzt, es besteht die Möglichkeit, verunreinigte Stücke mit Trinkwasser auszuwaschen, die versorgten Stücke luftig aufzuhängen und bei Dämmerung ausreichend Licht zur genauen Begutachtung zu haben. Selbstverständlich müssen auch entsprechendes Handreinigungsmittel und Handtücher an Bord sein. Das Aufbrechen geschieht am sichersten mit Einmalhandschuhen, um sich selbst vor möglichen Zoonosen, die beim Federwild, aber auch gerade beim Hasen auftreten können!
Beim Aufbrechen von Kaninchen achtet der erfahrene Jäger insbesondere auf die Inguinaldrüsen oder Geschlechtsecken, die beiderseits des Weidlochs liegen, etwa erbsengroß sind und ein stark riechendes Sekret enthalten. Ähnliche Hauttaschen gibt es auch beim Hasen beiderseits am Übergang der Innenseite Hinterlauf zum Beckenbereich. Sie müssen vorsichtig ohne Verletzung entfernt werden, da sich sonst ihr strenger arteigener Geruch auf das Wildbret der Keulen überträgt. Hase und Kanin brechen wir genauso auf wie Schalenwild. Am saubersten geht dies im Hängen, mit dem Kopf nach unten. Vorsichtig öffnen wir von der Schlossseite her erst die Bauchdecke und achten darauf, dass wir mit dem Messer nicht die vorfallenden Därme verletzen. Ideal für diesen Schnitt eignet sich ein so genanntes Gekrösemesser, das eine stumpfe, verdickte Spitze hat. Um uns beim weiteren Vorgehen Platz zu verschaffen, ergreifen wir den Magen und trennen den Schlund vor ihm ab und entnehmen nun den gesamten Verdauungsapparat. Mit einer weiteren Schnittführung öffnen wir nun den Brustkorb und entnehmen das gesamte Geräusch, Leber und Nieren. Die Innereien breiten wir vor uns aus und betrachten alle Organe sowie die Lymphknoten auf Veränderungen. Bereits das Fehlen von Nierenfett sollte beim Jäger Sensibilität hervorrufen. Das allein ist zwar noch kein bedenkliches Merkmal, wenn andere Anzeichen wie Organveränderungen oder Abmagerung fehlen, geben uns aber erste Anzeichen, dass es den gestressten Hasen in vielen Revieren nicht mehr richtig gut geht! Soll die Leber verzehrt werden, muss selbstverständlich die Gallenblase vorsichtig entfernt werden, so dass sie nicht platzt.
© Matthias Meyer
© Matthias Meyer | Beiderseits des Weidlochs finden wir beim Hasen die Sekrettaschen. Sie müssen sauber entfernt werden, um das Wildbret nicht zu verschmutzen. Vor dem Weiterarbeiten sollte die Messerklinge gereinigt werden.
© Matthias Meyer | Wer keinen Wert auf den Balg von Hase oder Kanin legt, kann die Tiere auch im Schnell– , Expander- oder Fehmarner Verfahren abbalgen. Dazu wird der Balg quer zum Rücken eingeschnitten. Mit beiden Händen wird der Balg vorsichtig, aber kräftig auseinandergezogen. An der Bauchseite reißt der Balg automatisch ab.
Das Federwild brechen wir auf einer sauberen und leicht zu reinigenden Unterlage liegend auf. Beim Ausnehmen von Federwild muss der Jäger ein paar anatomische Besonderheiten beachten. Vor der Entnahme der Innereien rupfen wir zunächst den Bereich um die Kloake herum großzügig frei. Mit einem scharfen Schnitt wird die Kloake sauber umschnitten. Zusätzlich erfolgt ein kurzer Bauchschnitt vom Brustbein zur ersten Schnittführung in Richtung Kloake. Ferner legen wir mit einem Längsschnitt am Hals Schlund, Luftröhre und den Kropf frei und entfernen diesen, da sein Inhalt rasch gärt. Mit Zeige- und Mittelfinger machen wir uns in der Bauchhöhle um die inneren Organe herum etwas Platz, umgreifen den Magen und ziehen vorsichtig, aber konsequent die Innereien heraus. Beim Federwild gibt es kein Zwerchfell, das Brust- und Bauchhöhle trennt. Anders als bei Säugetieren sind bei Vögeln die Nieren und Lungen so fest mit dem Körper verwachsen, dass man sie nicht so einfach herausnehmen kann. Auch beim Federwild ziehen die Schrote Federteile und Bakterien über den Schusskanal mit in die Muskulatur. Dadurch wird die Haltbarkeit des Wildbrets beeinträchtigt. Es erscheint deshalb notwendig, dass das Federwild gleich nach dem Erlegen ausgenommen und auf +4°C heruntergekühlt wird. Bei erlegtem und noch nassem Wasserwild kann es sehr von Vorteil sein, wenn wir es in eine Kühlung mit Ventilator hängen, damit die Umluft die Strecke nicht nur schneller herunter kühlt, sondern auch noch die Feuchtigkeit im Raum und am Wild entnimmt. Wie bei allem anderen Wild auch achten wir während des Transports und in der Wildkammer darauf, dass die Tierkörper nicht aufeinander liegen, sondern frei hängen. Vielfach entscheidet sich der Jäger auch, das an dem Jagdtag anfallende Federwild alsbald zu verwerten. In diesem Fall ist es zweifelsfrei sinnvoller, die Vögel vor dem Ausnehmen zu rupfen, damit Brühwasser und Rupfwachs nicht in die Bauchhöhle gelangen können. Außerdem gelingt das Rupfen von warmen Geflügel deutlich besser, da gerade bei Hühnervögeln und Schnepfen die feine Haut nicht so leicht einreißt. Eine Alternative stellt das Abziehen des Federwildes dar. Bevorzugt wird diese Methode bei noch in der Mauser befindlichen Vögeln, Blässhühnern und Tauchenten angewandt, deren Fett unter der Haut leicht tranig schmeckt. Das Abziehen geht deutlich schneller und kann auch beim aufgebrochenen Vogel erfolgen.
© Matthias Meyer | Vor dem Aufbrechen von Federwild wird der Bereich um die Kloake gründlich frei gerupft. Um die Kloake wird die Haut aufgeschnitten.