Mehr als eine Milchbar!

Dr. Christine Miller

Der Schutz notwendiger Elterntiere ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Jagd
Es fällt schwer, angesichts des Verhaltens eines pummeligen, rundgesichtigen Jungtieres nicht – je nach Charakter und Typ – Entzücken, Freude oder zumindest eine gewisse Milde zu verspüren. Jungtiere, vor allem von Säugetieren rühren uns und wir neigen unwillkürlich dazu, unsere Gefühle auf diese Tiere zu übertragen. Nun gibt es viele Gründe sentimentaler Vermenschlichung im Tierreich nicht nachzugeben. Doch andererseits müssen wir uns im jagdlichen Umgang mit Wildtieren immer wieder die Frage stellen, wie natürlich sind unsere Eingriffe? Welche Konsequenzen haben sie auf Einzeltiere und auf einen Bestand. Wie werden damit Verhaltensmuster der überlebenden Tiere beeinflusst und damit mögliche Schäden in Land- und Forstwirtschaft. Fragen, die einerseits mit wissenschaftlicher Methodik beantwortet werden können, die aber auch ein Teil des „Jagdinstinkts“ erfahrener Jäger sind.

Und schließlich ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Jagd wesentlich davon abhängig, wie glaubhaft gezeigt werden kann, dass jagdliche Eingriffe nicht automatisch zu andauerndem Tierleid führt. Tierschutz ist heute im Grundgesetz, in Artikel 20a, verankert. Damit ist nicht die Jagd an sich in Frage gestellt, sondern das Wie der Jagd und ein wesentlicher Aspekt ist eben, ab wann ein Jungtier den Verlust von elterlichem Schutz und Versorgung verkraften kann ohne anhaltend zu leiden.

Rotkälber brauchen die Mutter 12 Monate
Elterntierschutz ist mehr als nur eine sentimentale Rührung: zugrunde liegt ihm das Wissen über die Biologie und über das Sozialverhalten der verschiedenen jagdbaren Tierarten. In den grundsätzlichen Vorgaben des Bundesjagdgesetzes (§1 Abs.2) beinhaltete das Jagdrecht auch die Verpflichtung für einen gesunden Wildbestand zu sorgen: Gesund heißt, in der entsprechenden Jagdrechtskommentierung ausdrücklich auch, die natürlichen Sozialbeziehungen der Wildtiere zu ermöglichen.
Im Fall von Rotwild sind eigentlich keine Zweifel möglich. Die Bindung des Kalbs an seine Mutter im ersten Lebensjahr ist für seine ganze weitere Karriere als Alttier oder Hirsch entscheidend. Die Stimme seiner Mutter vergisst ein Rotkalb ein Leben lang nicht mehr. In Gatterversuchen kommen selbst gestandene Alttiere noch herangestürmt, wenn das Mahnen der Mutter aus dem Lautsprecher tönt. Die Mutter ist für das Kalb der Garant des Überlebens. Ein Muttertier dagegen vergisst die Stimme des Kalbes schon recht bald. Entgegen der immer wieder geäußerten Vermutung, erkranken Alttiere nicht an Spinnenentzündung oder Milchstau. Bereits nach vier Tagen nimmt das Stück ein Kalb, das in Versuchen von der Mutter getrennt worden ist, nicht mehr an.

Würden Wölfe noch mit Rotwild zusammenleben, wäre der Verlust eines Kalbes ein immer wieder vorkommendes Ereignis. Kälber, alte und schwache Stücke machen das Beutespektrum aus. Nicht so der Verlust eines Alttieres und das Kalb bleibt zurück. Diese Variante ist von der Natur nicht vorgesehen.

Das Rückgrat der Rotwild-Gesellschaft bilden alte, erfahrene und führende Tiere. Sie steuern die Lebenschancen ihrer Nachkommen. In einer Studie im Kanton Graubünden wurde die Fortpflanzungsgeschichte von markierten Tieren über viele Jahre hinweg verfolgt. Bereits im Alter von 2 Jahren führten dort 11 von 16 Tieren ein Kalb, mit 3 Jahren waren es 68,8%. Zwischen 5 und 13 Jahren führen praktisch alle Alttiere, bei den 14-18-Jährigen sind es immer noch die Hälfte. Die Chance in einem Rotwildbestand auf nichtführende Alttiere zu treffen, sind gering – eine flüchtige Beobachtung, zum Beispiel im Zuge einer Bewegungsjagd reichen dazu nicht aus.

Enge persönliche Beziehung und das „Kämpfen“ für den eigenen Nachwuchs sind die Wesensmerkmale des streng hierarchisch aufgebauten Rotwildsozialverbands. Ein Platzhirsch wird bereits im ersten Lebensjahr von seiner Mutter gemacht. Ist sie ein gut genährtes, ranghohes Tier wird er von Anfang an die beste Milch trinken und Zugang zu den besten Äsungsflecken haben. Diesen Wachstumsvorsprung wird er sein Leben nicht mehr verlieren. Rothirsche sind Muttersöhnchen.


Ein Platzhirsch wird bereits im ersten Lebensjahr von seiner Mutter gemacht

Voraussetzung ist die Organisation unter den weiblichen Tieren. Sie müssen einerseits ihre Jungen vor Gefahren schützen – dazu ist die Gruppe mit vielen wachsamen Augen ideal. Andererseits stehen alle Alttiere in Konkurrenz zueinander. Es entwickeln sich klare Hierarchien, die den Zugang zu den besten und sichersten Äsungs-, Ruheplätzen und Einständen regeln.
Die Routen zu unterschiedlichen Einständen sind aus generationenlanger Erfahrung gewachsen. Sie sichern eine gefahren-minimierte Bewegung im gesamten Streifgebiet.

In diesem Verhalten ist Rotwild auf die Anwesenheit anderen Rotwildes angewiesen. Das Abstimmen in einer Gruppe gehört zum Wohlbefinden von Hirsch und Tier, egal wie niedrig sein Rang ist. Die Tiere leiden messbar unter physischem und psychischem Stress, zum Beispiel, wenn die Sozialstrukturen zerrüttet sind oder die Tiere nicht in den gewohnten Großfamilien (rudeln) leben können. Immer wieder von Interessensverbänden geforderte, an den wirtschaftlichen Kennzahlen angepasste Rotwilddichten von weniger als 2 Stück pro 100 ha, können ein natürliches Sozialverhalten und Wohlbefinden nicht mehr gewährleisten. Forderungen dieser Art kollidieren mit den gesetzlichen Forderungen nach „gesundem Wildbestand“ und Verhinderung von Tierleid.

Die Bindung eines Kalbes bleibt im Falle eines weiblichen Tieres ein Leben lang bestehen. Schmaltiere werden auch später kaum den Aktionsraum der Mutter verlassen. Das Hirschkalb bleibt mindestens noch bis zum ersten Geburtstag hinaus bei der Mutter. Bis etwa Ende Oktober ist das Kalb auf die Milch der Mutter angewiesen, um überhaupt zu überleben. Auch später, bis weit in den Winter hinein, nuckeln manchmal Kälber noch an der Mutter, doch hat dies eher einen beruhigenden, sozialen Charakter.
Auch ein bereits wiederkäuendes Kalb braucht die Mutter zum Überleben. Es sinkt bei deren Verlust auf den Boden der Hierarchie im Rudel und verliert alles: die Möglichkeit, die sicheren Einstände aufzusuchen, an Äsungsplätzen verweilen zu dürfen, Schutz. In einem normalen Bergwinter stirbt es unweigerlich.

Bei günstigen klimatischen Bedingungen kann es vielleicht überleben – aber es bleibt ein Leben lang der Paria in der Rotwild-Gesellschaft

Und hier beginnt nun eine Diskussion, die unter der Hand von vielen verzweifelten Rotwild-Bewirtschaftern und immer wieder von einem früher renommierten Jagdrechts-Juristen angezettelt wurde: Ist doch alles nicht so schlimm! Doch der Hinweis darauf, dass ein Kalb im Winter nicht mehr säugen muss, um zu überleben, greift hier nur bedingt. Eindeutig ist, dass sich ein verwaistes Kalb nicht in gleicher Weise entwickeln wird, wie ein von einem Alttier geführtes Kalb, selbst, wenn die Mutter am Ende der Rotwild-Rangordnung steht. Das Kalb „leidet“ nach allen rechtlichen Definitionen, es kümmert physisch und psychisch. Und selbst, wenn mit juristischen Winkelzügen, immer wieder versucht wird, den gesetzlichen Schutz der Muttertiere von abhängigen Jungen weg zu definieren, sind sowohl die Kommentarliteratur wie die Gerichte eindeutig in ihrer Einschätzung: Ein Jäger muss wissen (sonst hätte er ja die Jägerprüfung nicht bestehen können), dass das Selbständig werden eines Rotwild-Kalbes erst im 2. Lebensjahr beginnt. Das schiere Überleben in den Monaten nach dem Verlust der Mutter reicht nicht aus, um sich aus der Verpflichtung des §22 Abs. 4 des BJagdG zu winden. Es ist keine Frage einer nicht eindeutig definierten Weidgerechtigkeit oder einer verhandelbaren Jagdethik, ein Kalb vorsätzlich oder fahrlässig zu verwaisen.
Gerade bei Bewegungsjagden kommen Alttiere gelegentlich ohne ihr Kalb. Jeder Schütze muss wissen, dass das im Bereich des normalen Verhaltens von Rotwild möglich ist und er muss wissen, was der Verlust des Muttertieres für das Kalb bedeutet, ob im Oktober oder im Januar. Und Jagdleiter, die allein anwechselnde Alttiere freigeben, wandeln auf hauchdünnem Eis, wenn sie zum Begehen einer Straftat anstiften.

Sind Rehgeißen schlechte Mütter?
Rehe gibt es vom Nordkap bis Gibraltar, also vom Polarkreis bis an den Rand der Wüste. In allen Lebensräumen haben sie eine bemerkenswerte gleiche Lebensweise, die es ihnen ermöglicht, ihre jeweilige Umwelt optimal auszunutzen: Sie sind territorial und verschieben ihre Einstände im Laufe eines Jahres mehr oder weniger stark. Entscheidend für ihr Überleben ist dabei immer ihre ausgezeichnete Ortskenntnis.

Entscheidend für den Erfolg eines frisch gesetzten Kitzes ist sein Geburtsgewicht: Hohes Gewicht, hohe Startchancen ins Leben. In den ersten drei Wochen nehmen die Kitze dann bis zu 150 g pro Tag zu. Die Geiß muss sich die Energie für die dazu notwendige „Turbo Milch“ aus dem laufenden Betrieb holen. Sie ist deshalb darauf angewiesen, dass der Setzzeitpunkt in die Zeit fällt, wo die Natur die höchste Äsungsmenge und -qualität anbietet. Verschiebt sich durch klimatische Änderung der Frühlingsanfang, passt das exakte Timing beim Setzen nicht mehr. Qualität und Menge der Äsung zum Setzzeitpunkt sind der entscheidende Schlüssel für die Entwicklung des Rehs. Man nennt das auch den „Silberlöffel-Effekt“!

80% der Kitze werden innerhalb von 3 Wochen um den 22. Mai herum gesetzt.

Durch den früheren Beginn des Frühjahrs sind die Geißen etwa 2 Wochen „außer Takt“ geraten. Vor allem in Waldgebieten schlägt sich das in geringerer Überlebenswahrscheinlichkeit der Kitze nieder.

Erst ab Mitte, Ende August beginnt die aktive Führung der Kitze durch die Geiß. Jetzt lernen die Jungen mit der Mutter das Revier kennen. Ortskenntnisse ist überlebensnotwendig. Die Fächer „Sicherheit“ und „Revierkunde“ stehen bis in den nächsten Frühling auf dem Stundenplan. Verlieren die Kitze vorher die Mutter, staksen sie recht unsicher und unerfahren in durch die Einstände. Körperlich ausgewachsen sind Rehe übrigens mit 4 Jahren, obwohl Geißen schon ab dem dritten Jahr nur noch wenig an Körpergewicht zulegen. Es ist also keineswegs so einfach, Geißen ab Herbst zu erlegen ohne sich über den Nachwuchs Gedanken zu machen. Da Geiß und Kitz auch bei Gefahr, zum Beispiel im Rahmen einer Bewegungsjagd, eng zusammenbleiben, ist es leichter Muttertiere anzusprechen.


In den ersten drei Wochen nehmen die Kitze bis zu 150 g pro Tag zu

Gams und Schwarzwild
Das Überleben in einem gefährlichen Lebensraum mit Naturkatastrophen erfordert besondere Strategien. Auch die Gams setzt hier auf enge persönliche Beziehungen. Im Sommer teilen sich Geißen schon mal die Aufgabe bei der Bewachung des Nachwuchses. Bekannt sind die „Kindergarten Gruppen“ junger Gamskitze. Bei Gefahr jedoch sortiert sich so ein Kindergarten schnell und jedes Kitz schließt sich sofort seiner eigenen Mutter an. Die enge Bindung von Geiß und Kitz dauert auch bei Gams deutlich länger als nur sechs Monate, die Zeitspane, in der die Jungen gesäugt werden. Erfahrung, vor allem in der Wahl sicherer Einstände und Verhalten bei Naturkatastrophen, wie Lawinen, muss erlernt werden. Verwaiste Kitze haben nicht nur geringe Chancen, den Bergwinter zu überstehen. Der Verlust reproduktiver Geißen beeinträchtigt auch die gesamte Population, durch verringerte Synchronisation des Verhaltens der Gruppe – eine der Sicherheitsstrategien dieser Wildart.


Die enge Bindung von Geiß und Kitz dauert beim Gamswild deutlich länger als nur sechs Monate, die Zeitspane, in der die Jungen gesäugt werden.

Bei Schwarzwild scheinen letztlich so gut wie alle tierschutzrechtlichen Bedenken vom Tisch gewischt zu sein. Hier wird nur noch von Strecke, Abschusszahlen und von der Erlegung erwachsener Bachen gesprochen. Und doch ist auch bei dieser Art das Grundgerüst, die kleinste soziale Einheit, eine Gruppe von miteinander verwandten Bachen, von denen eine „Anführerfunktion“ ausübt. Das bedeutet aber nicht, dass sich strenge lineare Hierarchien entwickeln, sondern eher „Mütter-Clan-Strukturen“. In diesen Kern-Rotten kommt es auch zum „Fremd-Säugen“. Da die Bachen meist eng miteinander verwandt sind, dulden sie es, wenn auch Groß-Nichten und -Neffen mal an den Zitzen mitnuckeln. Die Leitbache koordiniert die Rotte räumlich. Sie bestimmt, wo die Rotte hinzieht, wo und wann es zur Suhle, zur Nahrungssuche und zum Schlafkessel geht. Außerdem gibt sie den „Startschuss“ für die Rauschzeit, vor allem im Nov. – Jan., sie synchronisiert den Eisprung der anderen Bachen, was zu einer kurzen Rauschzeit führt. Bei einem derart synchronisierten Eisprung kommen die Frischlinge in der Rotte fast zeitgleich zur Welt, etwa im März bis Mai, pro Bache 1-12, meist 4-8 Junge, sie werden 3-4 Monate gesäugt und vehement verteidigt (führende Bachen sind jetzt eine besondere Gefahr), nach rund 4 Monaten verlieren sie ihre Streifen völlig. Sobald die kleinen Frischlingsbachen etwa 30 kg schwer sind, können sie beschlagen werden. Wildschweine „leiden“ unter einer gestörten Sozialstruktur, vor allem Überläuferrotten verhalten sich räumlich unkoordiniert und meist sichtbar gestresst. Frischlingsbachen stellen das Gros des weiblichen Sauenbestandes dar. Sie sollten auch in der Strecke den überwiegenden Teil ausmachen. Auch wenn die alten Bachen in der Regel mehr Frischlinge führen, sind sie doch nicht die „Hauptvermehrer“ im Bestand. Dagegen sind Rotten mit alten Bachen berechenbarer in Verhalten und Raumnutzung – und zu lenken. Dass dies ein wichtiges Instrument zur Minderung von Schäden ist, wird in der oft hysterisch geführten Diskussion meist schlichtweg vergessen. Der stiere Blick auf Abschusszahlen und Strecke – und dabei auch ja nur genügend Muttertiere liegen zu haben, hat die Jagd und das Wild-Management vielerorts in eine Sackgasse geführt.


Bei Schwarzwild scheinen letztlich so gut wie alle tierschutzrechtlichen Bedenken im Rahmen der ASP- Ängste vom Tisch gewischt zu sein.

Zwischen Recht und Verstand
Die Gesetzeslage zum Schutz von Elterntieren, die zur Aufzucht ihres Nachwuchses notwendig sind, ist eindeutig, trotz aller immer wieder versuchter Winkelzüge. Auch die Verpflichtung zur Erhaltung (oder Herstellung) eines gesunden Wildbestandes ist eindeutig. Gesund sind Tiere, wenn sie sich normal entwickeln und verhalten können. Und wer einem Tier vorsätzlich oder fahrlässig Leiden zufügt, handelt ebenfalls nicht rechtskonform. Leiden ist die Beeinträchtigung des Wohlbefindens, zum Beispiel auch durch Zerstörung von natürlichen Sozialstrukturen und Bindungen.

Warum sich die Jagdpraxis in den vergangenen Jahren trotzdem immer weiter in diesen dunkelgrauen Bereich begeben hat, stammt wohl aus einem ökologischen Missverständnis. Die Anwesenheit von natürlich im Wald vorkommenden Pflanzenfressern wird oft einseitig als „Schadenspotential“ angesehen. Die ökologischen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren im Wald werden dabei ausgeblendet. Verbissprozente sagen nichts über die Entwicklung eines Waldbestandes aus. Gezäunte Flächen stellen kein „natürliches Potential“ eines Waldstandortes dar, sondern sind künstliche Situationen. Und schließlich ist hinlänglich untersucht und bestätigt worden, dass es keine simple und lineare Beziehung nach dem Motto „Viel Wild ist gleich viel Schaden und wenig Waldverjüngung“ gibt. Kein Wunder also, dass Deutschland beim Jagddruck auf Rotwild einsamer Spitzenreiter ist.
Und auch auf landwirtschaftlichen Flächen wird viel zu wenig nach Lösungen zur räumlichen Steuerung von Schwarzwild geachtet und meist allein versucht, über Abschusshöhe, Schäden zu vermindern. Wohlgemerkt, angesichts der Tatsache, dass es in kaum einem Bundesland eine seriöse Statistik zu den tatsächlichen Schwarzwild-Schäden gibt.

Neue Spielregeln
Bewegungsjagden werden heute landauf – landab als das Mittel von effektiven Jagden propagiert. Dabei wird auch immer auf die besondere „Natürlichkeit“ und Effizienz von Drückjagden eingegangen. In einer Welt, die sich an Effizienz und Wirksamkeit von Maßnahmen misst, wurde auch das Drücken auf Schalenwild als zeitgemäße Jagdform propagiert. Zudem wurden Drückjagden auch als naturnahe Bejagungsweisen gesehen, ähnlich der Jagd durch Wölfe, die eine Gruppe anhetzen, den Schwächsten aussondern und dann gezielt erbeuten. Der kurzzeitige Stress für die Gruppe wird durch lange Ruhezeiten ohne jagdliche Nachstellung durch den Menschen austariert. So die Theorie, der man sicher einiges abgewinnen kann. Doch welche längeren Ruhezeiten sind durch die Einführung der Drückjagden auf alles Schalenwild tatsächlich entstanden? Oft dauert die Drückjagdsaison selbst von September bis Ende Januar. Und ab April oder Mai wird schon wieder das Revier bei zahlreihen Ansitzen „beduftet“. Da kann man eine fünf bis sechswöchige jagdarme Zeit im Sommer, kaum als „Intervall“ bezeichnen.
Und schließlich soll bei den Bewegungsjagden vor allem bei den Zuwachsträgern Strecke gemacht werden. Doch das gelingt nur bei sorgfältiger und kundiger Planung, wildartgemäßem Einsatz von Hunden und mit Hilfe einer handverlesenen Auswahl ausgezeichneter Schützen, die auch sauber ansprechen können. Die in Deutschland landauf, landab üblichen Bewegungsjagden erfüllen diese Voraussetzungen nur zu einem kleinen Teil. Oft sind Drückjagden die einzigen Jagdmöglichkeiten für eine immer größer werden Zahl von Jagdscheininhabern. Ich will niemand die Freude an einer gut organisierten Drückjagd oder einem feinen Riegler verderben. Aber die Freigabe von Muttertieren verbietet sich in diesen Fällen. Das ist auch bei Bewegungsjagden die Aufgabe von Profis.

Und egal wann und wie und auf wen wir jagen – niemals dürfen wir dabei vergessen, dass unsere Jagdbeute auch Mitgeschöpfe sind und einen ehrenwerten Umgang verdienen. Ob wir das Tierethik, Tierschutz oder Weidgerechtigkeit nennen ist zweitrangig. Und jede Jagdform muss diesem Prinzip verpflichtet sein. Und nur, wenn Jäger das auch nach außen glaubhaft darstellen können, hat die Jagd noch eine Zukunft.

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